Dieter Axmann
Fachanwalt & Strafverteidiger
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Das Landgericht hatte einen Angeklagten für eine unter Alkoholeinfluss begangene schwere räuberische Erpressung verurteilt. Die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB hatte das Gericht dabei abgelehnt. Es zweifelte an der Therapiebereitschaft, weil der Täter nicht mit dem sachverständigen Gutachter kooperierte. Diese Begründung verwarf der BGH in der Revision allerdings.
Es ging im Kern nur um eine einzelne Zigarette, deren Wert vom Landgericht Nürnberg-Fürth auf 30 Cent veranschlagt wurde. Trotzdem brachte die Straftat dem Angeklagten eine Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten ein. Er wurde wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung (§ 250 Abs. 2 Nr. 1, § 253 Abs. 1 und § 255 StGB) verurteilt.
Der Täter hatte in alkoholisiertem Zustand – das Landgericht kam auf mindestens 2,25 Promille Blutalkohol, der BGH errechnet 2,5 Promille – von einem jungen Mann, dem er auf der Straße begegnete, eine Zigarette verlangt. Die Forderung unterstrich er mit einer verbalen Todesdrohung („ … sonst bring ich Dich um!“), dazu drohte er mit einem großen und schweren Schraubenschlüssel. Später am selben Abend bedrohte er noch zwei weitere Menschen, bevor er festgenommen wurde.
Es war keineswegs das erste Mal, dass der Angeklagte mit dem Strafrecht in Konflikt geraten war. Er hatte Vorstrafen unter anderem wegen schwerer Körperverletzung (§ 224 StGB), Beleidigung (§ 185 StGB), Erschleichen von Leistungen (§ 265a StGB) und mehrerer kleiner Diebstähle (§§ 242, 248a StGB). Er räumte ein, ein Alkoholproblem zu haben und täglich einen halben Liter Wodka zu trinken und gab an, deshalb eine Therapie machen zu wollen.
Das Gericht hatte einen Psychiater als sachverständigen Gutachter bestellt, um die Schuldfähigkeit des Angeklagten festzustellen und eine mögliche psychische Erkrankung zu erkennen. Allerdings verweigerte dieser die Kooperation. Der Sachverständige schloss eine verminderte Schuldfähigkeit aufgrund der Alkoholisierung bei der Tatbegehung nicht aus. Klare Belege für eine Alkoholabhängigkeit fand er dagegen ebenso wenig wie für eine „überdauernde psychische Erkrankung“ oder eine Intelligenzminderung.
Weil er die „Diagnose schädlichen Gebrauchs oder gar einer Abhängigkeit von Alkohol“ nicht sicherstellen könne, sprach sich der psychiatrische Gutachter gegen die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt zur Alkoholtherapie aus. Zwischen den verschiedenen, unter Alkoholeinfluss begangenen Straftaten des Mannes hätten immer wieder längere Zeitabschnitte gelegen. Da der Mann sich bei der Begutachtung nicht kooperativ verhielt, habe er nicht feststellen können, ob dieser vielleicht nur für kurze Abschnitte getrunken habe und zwischendurch abstinent geblieben war.
Außerdem zweifelte der Sachverständige am Therapiewillen des Täters und deshalb auch an den „hinreichend konkreten Erfolgsaussichten“ einer Therapiemaßnahme, wie § 64 StGB sie für die Unterbringung zur Suchttherapie im Maßregelvollzug fordert. Das Verweigern der Begutachtung stehe im Gegensatz zum üblichen Verhalten therapiewilliger suchtkranker Straftäter gegenüber dem Gutachter.
Das Landgericht hatte auf Grundlage des Sachverständigengutachtes von einer Unterbringung in einer Entziehungsanstalt im Maßregelvollzug abgesehen. Diesen Teil des Urteils hob der BGH in der Revisionsentscheidung jedoch auf. Über die mögliche Anordnung einer Suchttherapie für den Täter musste neu verhandelt werden. Der sechste Strafsenat war skeptisch, ob die Richter der Vorinstanz den nach § 64 StGB für die Unterbringung erforderlichen „Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß“ zu konsumieren, korrekt verstanden. Dies kann für den BGH bereits dann der Fall sein, wenn noch keine Beeinträchtigung der Gesundheit oder der Arbeits- und Leistungsfähigkeit vorliegt. Da der Täter schon früher Straftaten unter Alkoholeinfluss begangen hatte, zur Tatzeit eine Blutalkoholkonzentration von 2,5 Promille aufwies und jeden Tag einen halben Liter Wodka konsumierte, hätte das Landgericht diese Voraussetzung für eine Unterbringung nicht ausschließen dürfen.
Auch von der fehlenden „inneren Therapiebereitschaft“ waren die Tatsachenrichter nach Ansicht des BGH zu voreilig ausgegangen. Diese könne nicht einfach aus der Verweigerung der Mitwirkung am Sachverständigengutachten abgeleitet werden. Und selbst wenn der Angeklagte nicht therapiewillig gewesen wäre, hätte das Gericht prüfen müssen, ob Aussicht auf eine Änderung dieser Haltung bestand.
Dieter Axmann ist Strafverteidiger und Fachanwalt für Strafrecht aus Dortmund. Er hat schon Tausende von Mandanten in Strafverfahren aller Art vertreten und verfügt über große Erfahrung in der Strafverteidigung von Delikten, die unter Drogen- oder Alkoholeinfluss begangen wurden.