Dieter Axmann
Fachanwalt & Strafverteidiger
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44139 Dortmund
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Ein erfolgreicher Täter-Opfer-Ausgleich führt regelmäßig zu einer milderen Strafe, etwa nach einer Sexualstraftat oder einem Gewaltdelikt. Ein solcher Ausgleich kann auch dann vorliegen, wenn der Täter das vereinbarte Schmerzensgeld kaum zu Lebzeiten des Opfers abbezahlen kann. Wichtiger als die Höhe der Raten ist das Einverständnis des Opfers. Dieser Schluss lässt sich aus einem BGH-Revisionsbeschluss aus dem April des Jahres 2021 ziehen (BGH, 29.4.2021 - 5 StR 498/20).
Der Täter hatte einer gesundheitlich beeinträchtigen Dame von 74 Jahren häufiger bei Besorgungen geholfen. Dabei vertraute sie ihm auch ihre EC-Karte und die zugehörige PIN an. Der Mann missbrauchte das Vertrauen und hob rund 5.000 Euro von ihrem Konto für sich ab. Daraufhin kam es zum Zerwürfnis, die Geschädigte erwirkte einen Titel und betrieb die Pfändung der unterschlagenen Summe. Dies wiederum führte zur Eskalation: der Mann suchte das Opfer in seiner Wohnung auf, fesselte sie und klebte ihr den Mund zu. Er entkleidete sie, berührte sie in intimer Weise, führte dabei auch den Finger in die Scheide ein. Nachdem sie ihm unter Zwang verraten hatte, wo Geld zu finden war, nahm er 50 Euro und die EC-Karte der alten Dame und ließ sie gefesselt zurück. Später hob er 900 Euro von ihrem Konto ab.
Beim Tathergang behandelte er das an Osteoporose leidende Opfer so brutal, dass neben weiteren Verletzungen ein Brustwirbel brach. Die ältere Dame musste stationär im Krankenhaus behandelt werden und anschließend in ein Pflegeheim ziehen. Als Folge der Tat muss sie dauerhaft Schmerzmittel einnehmen, litt unter Angstzuständen und Schlaflosigkeit und befand sich in Psychotherapie.
Trotz der schweren Misshandlung stimmte das Opfer während der Hauptverhandlung einem Vergleich über einen Täter-Opfer-Ausgleich vor. Der Täter erklärte sich zu einem Schmerzensgeld in Höhe von 70.000 Euro sowie zu Schadenersatz in Höhe von 950 Euro bereit. Die Bezahlung sollte in monatlichen Raten von 200 Euro erfolgen. Das Landgericht verurteilte den Mann zu einer Freiheitsstrafe von insgesamt sieben Jahren. Zugunsten des Angeklagten hat das Landgericht hier einen erfolgreichen Täter-Opfer-Ausgleich nach § 46a StGB angenommen und die Strafe entsprechend gemindert.
Die Staatsanwaltschaft legte Revision gegen das Urteil ein. Sie monierte unter anderem, dass die Tat nicht auch als schwere Körperverletzung verurteilt worden war. In diesem Punkt hatte der Revisionsantrag Erfolg. Die alte Dame konnte nach der Tat weder allein leben noch auch nur ohne fremde Hilfe aufstehen. Der 5. Strafsenat des BGH sah in dieser Hilflosigkeit der nun pflegebedürftigen Frau „Siechtum“ im Sinne von § 226 Abs. 1 Nr. 3 StGB. Deshalb wurde der Schuldspruch um schwere Körperverletzung erweitert, begangen in Tateinheit mit schwerer Vergewaltigung (§ 177 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 StGB) und schwerem Raub (§ 250 StGB).
Keinen Erfolg hatte die Staatsanwaltschaft mit ihren Einwänden, es habe kein Täter-Opfer-Ausgleich gemäß § 46a Nr. 1 StGB vorgelegen. Die Strafkammer des Landgerichts hatte diesen Ausgleich als Milderungsgrund akzeptiert und einen niedrigeren Strafrahmen herangezogen. Die Staatsanwaltschaft hatte in ihrer Revision jedoch Zweifel daran geäußert, dass der Angeklagte die Schadenswiedergutmachung ernsthaft erstrebte. Sie verwies darauf, dass der Gesamtbetrag von fast 71.000 Euro, zu dem sich der Täter verpflichtet hatte, bei einer Monatsrate von 200 Euro kaum zu Lebzeiten der alten Dame abbezahlt werden konnte. Das erkannten auch die Richter des BGH an. Sie sahen jedoch gerade die niedrige Rate als Beleg für die Ernsthaftigkeit der Wiedergutmachungsabsicht. Diese Summe konnte der Täter selbst in Haft tatsächlich aufbringen. Er hatte diese Summe zudem durch das Abtreten seines Lohnanspruchs aus Arbeit während der Haftzeit über die gesamte Haftdauer hinweg abgesichert.
Der 5. Strafsenat verwies darauf, dass dem Täter-Opfer-Ausgleich ein kommunikativer Prozess vorausgegangen war, der Täter voll gestanden hatte, dem Opfer damit eine Aussage ersparte und dass die alte Dame die Bestrebungen um Wiedergutmachung als friedensstiftenden Ausgleich akzeptiert hatte. Das war ein entscheidender Punkt. Das Opfer kannte die finanziellen Verhältnisse des Täters und hatte dem Vergleich im Bewusstsein zugestimmt, dass der hohe Gesamtbetrag überwiegend symbolisch war.
Dieter Axmann ist Strafverteidiger und Fachanwalt für Strafrecht aus Dortmund. Er hat bereits Hunderte von Mandanten gegen den Vorwurf von Sexualdelikten verteidigt und verfügt über große Erfahrung im Sexualstrafrecht. Außerdem hat er in vielen Fällen am Zustandekommen eines Täter-Opfer-Ausgleichs mitgewirkt.
Mehr zum Täter-Opfer-Ausgleich finden Sie auch in meinem Blog: